Die Frage, wie das Neue in die Welt kommt, ist eine, die jeden Menschen innerlich bewegt. In ihr verbirgt sich zugleich die Sehnsucht, neu zu werden, ja sich zu verwandeln. Denn Frische und Zukunft sprechen uns hier unmittelbar an. Wie wunderbar ist es, einem neu geborenen Säugling in die Augen zu schauen und aus dem strahlenden Blick ganz andere, neue Welten zu erahnen.
Das Neue ist keine Fortsetzung des bisher Gewesenen, in ihm liegt das Rätsel dessen, was die «Schöpfung aus dem Nichts» ausmacht. Das Nichts, das Unbekannte, Ungewisse kann uns zuweilen im Leben mit Schrecken erfüllen und dazu verführen, am Alten festzuhalten und im vertrauten Terrain stecken zu bleiben. Wollen wir dem Neuen begegnen, so müssen wir unser Bedürfnis nach Planbarkeit und Kontrolle aufgeben und uns dem Unbekannten anvertrauen. Das Neue ist für uns weder verfügbar noch berechenbar und steht außerhalb jedweder mechanischen Ordnung.
In unserer zunehmend durch Technik und Digitalisierung bestimmten Welt stellt sich die Frage nach dem Schöpferischen des Menschen neu. Wenn künstliche Intelligenz für sich in Anspruch nimmt, Kunst machen zu können, so wird die Frage nach der inneren Natur der Schöpfungsprozesse zu einer existenziellen, das tiefste Menschliche betreffenden. Die «Schöpfung aus dem Nichts» ist hier das Zünglein an der Waage, die Menschliches von Maschinellem trennt.
Link zur Zeitschrift «STIL Goetheanismus in Kunst und Wissenschaft»