Wie wird ein Kunstwerk?
Wer einmal den Sonnenaufgang über dem Meer beobachtet hat, könnte überrascht gewesen sein von der Art ihres Auftretens. Das aufgehende Licht wird angekündigt durch Vogelgezwitscher. Der Himmel ist geteilt in Dämmerlicht und Dämmerdunkel kurz bevor sich der Lichtpunkt der sich gebärenden Sonne unmittelbar und unverfolgbar zeigt. Sie ist einfach da. Sie, die sich Verschenkende, uns in dem Kreislauf des Lebens stets Vertraute, und doch unergründlich Unerreichbare. Die aufgehende Sonne - ein Wunder der sich unentwegt erneuernden Kraft, als Gnade und Geschenk der Götter an uns Menschen.
Wie wird ein Kunstwerk, wie wird ein Künstler geboren?
Die Geburt der eigenen künstlerischen Formulierung entspricht dem Bild der aufgehenden Sonne. Die Verwirklichung des schöpferischen Potenzials in einem Kunstwerk weckt im Künstler die Empfindung, dass er durch sein Tun von neuem geboren worden ist. Ein schöpferischer Akt ist zugleich eine ins Bild gebrachte Geburt zum Ich hin. Die eigen gewordene Ausdrucksprache des Künstlers zeigt uns die Welt in einem neuen Licht, so wie wir sie bis dahin noch nie gesehen haben. In einem Kunstwerk spricht sich etwas allgemein-menschliches aus. Das intim Individuellste wird zum allgemein Gültigen.
Ein langes Ringen ist oft der Weg zu so einer Entfaltung, ein Weg durch die Dämmerung des Suchens und Fragens, Annährens und sich Entfernens. Und manchmal, wie ein Geschenk und eine Gnade zeigt sich uns in der erfahrbarer Verdichtung: als noch nie da gewesen und doch so vertraut, individuell und überzeugend, zu Anderen sprechend.
Was für ein Rätsel liegt dem schöpferischen Akt zu Grunde? Wie geartete Wesen wären wir Menschen, ohne diese Gunst unseres schöpferischen Potenzials, welche wir aus Freiheit und ohne jeden von außen bestimmbaren Zweck entfalten dürfen? Welche innere Notwendigkeit liegt diesen Prozessen zu Grunde?
An den drei Tagen der Sektionstagung Quellen der Kunst berichtete an jedem Vormittag ein Künstler über den eigenen Weg des Suchens. Die Kunstmalerin Marianne Wachberger, sowie die Kunstmaler Hannes Weigert und Alexander Schaumann sprachen über ihren künstlerischen Werdegang. Sie zeigten Lichtbilder und stellten einige Originalwerke zur Schau. Daran schlossen sind Gespräche in kleineren Gruppen an, um am Ende im grossen Kreis in einen Austausch mit den genannten Künstlern zu kommen. Drei Maler, drei Lebensentwürfe, drei schaffende Methoden zum individuellen Bild hin.
Seine Werkdarstellung fing Hannes Weigert mit dem Wort Ich an. Damit eröffnete er eine mögliche Sichtweise, dass ein jedes Ringen um die Entfaltung potenzieller Möglichkeiten, uns zu Verwirklichung dessen führt, was wir werden könnten und was wir in unseren Anlagen als Ichwesen schon sind. Die Kunst ist ein Lebensgebiet, an deren Prozessen wir dies unmittelbar lernen, übend zu verwirklichen.
Alexander Schaumann beschrieb, wie er als Maler sich den malerischen Kunstmitteln zuwendet, weil er sie als eine reale Wirkungskraft erlebt. Wie er sich auf dem Weg zum Bild hin aufmacht, in der Hoffnung auf das Entsprechen dieser Kräfte, für welchen er einige methodische Bedingungen geschafft hat.
Die künstlerische Haltung von Marianne Wachberger vermittelt uns, dass die Vervollständigung des Kunstwerkes an die Begegnungen mit anderen Menschen gebunden ist, und dass in der Gemeinschaft die Fähigkeit des Einzelnen bedeutend aufkommen kann. Sie wies auf die inspirierende Unterstützung ihrer Umgebung hin, zeigte auf, wie das individuelle Ringen um den eigenen künstlerischen Ausdruck zu einer Akzeptanz einem anderen künstlerischen Ringen gegenüber befähigt.
Der Werkweg dieser drei Maler erglänzte, auf dem Boden des vorurteilslosen Interesses der an der Tagung beteiligten Teilnehmenden.
Alle nahmen wahr und ernst, in intimen Nachvollzug des Dargestellten. Sowohl im Zuhören wie auch im Zuschauen und im Gespräch bildete sich eine Kraft, in welcher der Mensch in seiner Erhabenheit als schöpferisches, zur Freiheit angelegtes Wesen aufleuchtete.
<link http: bogdanovic.ch _blank external-link-new-window internal link in current>Jasminka Bogdanovic